SCHLEMMERTAGE

Es gab Zeiten, da standen zu Weihnachten nicht nur die Stiefel von Knecht Rupprecht vor der Tür, sondern auch Tage der Völlerei, an denen selbst der Disziplinierteste reuelos alles in sich hinein schaufelte, was an Speisen und Getränken auf dem Tisch stand. Motto: einmal im Jahr richtig satt fressen! In diesen Wirtschaftswunderjahren befürchtete kaum jemand, an gehaltvollen Speisen irgendeinen Schaden nehmen zu können. Im Gegenteil. Legte man zwischen den Jahren nicht mindestens zwei, drei Kilo Gewicht zu, dann waren es auch keine echten Feiertage. Kalorinarisch äh kulinarisch gesehen.

 Dagegen sieht der Speisezettel heutzutage wie ein Diätplan aus. Wenn Oma schon auf dem Weihnachtskarpfen besteht, dann sollte dieser zumindest ein bis zwei Abmagerungskuren hinter sich haben. Wird aus Rücksicht auf unbelehrbare Familienmitglieder zudem Weihnachtsgans oder anderes flugfähiges Getier aufgetischt, dann bitte nur nach glücklicher Aufzucht. Naturrein muss das Geflügel sein, ehe es mit ökologisch einwandfreien Leckereien gefüllt in den Ofen wandert. Ganz anders hingegen bei Schweinefleisch. Das geht schon mal gar nicht! Weder fette Wurstwaren, Bouletten, Bockwürste noch Nudelsalate oder Pommes, sondern allenfalls Veggie-Schaschlik, fettreduzierte Kroketten, Tofusandwich, laktosefreie Milch oder Gemüse aus reinem Oköanbau.

 Der Weihnachtsmann von heute zeigt sich ernährungsbewusst - und huscht doch schnell zu den Regalen mit Süssigkeiten. Gedacht für den absoluten Notfall einer drohenden Unterzuckerung. Doch wie schnell Dominosteine, Lebkuchenherzen und andere Schokoladekompositionen zu mehr verführen und  Pfunde auf Hüften und anderswohin packen, weiß wohl fast jeder aus eigener, bitterer Erfahrung. Am Ende ist das permanent schlechte Gewissen missmutiger Begleiter beim Feiertagsschmaus - und verdirbt endgültig die gute Laune. 

 Also, warum nicht mal umdenken? Verbanne die Waage über die Festtage einmal aus dem Sichtfeld! Vergiß die guten Vorsätze und gönne dir sorglos, wonach Herz und Magen begehren. – Nicht nervende Heißhungerattacken und Gewissensbisse wären dann  Begleiter über Weihnachten, sondern ein lebensbejahendes „Was soll's?“  Sei einmal wieder Kreatur und stehe zum hemmungslosen Gelage. Genieße, was andere nicht wagen! Sei unbeherrscht, ungeniert und lebensfroh. Füll beherzt den Teller und schlemm wonnig alles nieder!

 In diesem Sinne satt-sinnliche Feiertage! ---------------------------------------------------------------Axel Zierer, Dezember 2014

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