Wir sitzen gemütlich auf der Terrasse seines schicken Hauses. Das Weizenbier schmeckt, der Blick in die Allgäuer Alpenwelt ist großartig. Adi lehnt sich zurück – er wirkt entspannt, fast versonnen. Liebevoll betrachtet er seine beiden Kätzchen, die ausgelassen auf dem Rasen tollen. Eine beschauliche Situation, die so gar nicht dazu passen will, dass Adi Dünßer als Skispeedfahrer zur Spezies der Extremsportler zählt. Diese besondere Gattung von Leuten sieht ihre Herausforderung in Bereichen, die beim normalen Skitouristen allein bei der Vorstellung Schweißausbrüche und Angstattacken provoziert. Adi lächelt: „Ja, mit fast 250 kmh einen Berg auf Skiern herunter zu fahren, das ist sicher nicht Jedermanns Sache.“
In dieser Sportart wurde Adi Dünßer 1996 Weltmeister – mit Tempo 233 kmh. Speedski hat mit normalem Skifahren ungefähr so viel zu tun wie Fallschirmspringen mit Fliegen. Also nicht sehr viel. Auf einer Skipiste zu starten, die so extrem steil ist, dass man sich kaum auf allen Vieren halten kann – das allein ist schon wagemutig genug. Dabei aber mit Rekordabsicht hinunter zu fahren, stellt die Radikalvariante dar. 2006, also zehn Jahre nach seinem Weltmeistertitel, raste Adi mit 243 kmh zu Tal. Damit ist er Deutschlands Schnellster in dieser Disziplin. Bis heute. Wie es zum neuen Rekord kam, will ich von Adi wissen. „Beim Wachs und Skimaterial hat sich einiges getan“, bemerkt der 43jährige. Und wenn am Renntag die Sonne den Schnee auffirnt und sich ein Wasserfilm auf der Strecke bildet, auf dem die Skier perfekt gleiten, dann sei eine solche Leistung möglich. „Natürlich müssen die Knochen des alten Mannes mitmachen!“, schränkt Adi schmunzelnd ein. „Eine Rennwoche mit sieben oder acht Läufen geht an die Substanz.“
Also muss im Vorfeld hart gearbeitet werden, um eiserne Kondition aufzubauen. Auf der gut 800m langen und steilen Schussfahrt wirken enorme Kräfte auf den Speedskifahrer. „Als würde dir ein Orkan mit Windstärke 12 entgegen blasen!“, so Adi. Die Furcht vor einem Crash fährt immer mit. Adi hat’s 2006 bei Tempo 155 erwischt. „Der rechte Ski wanderte aus. Es riss mich weg und ich schlug brutal auf die Piste“, erinnert sich der Oberstdorfer, der im Allgäu das Skifahren erlernte und im Skikader des DSV stand. Das Ganze endete vergleichsweise harmlos mit einer Schulterverletzung. „Wie beim Skispringer ist es wichtig, nach einem Sturz gleich wieder anzutreten“, weiß Adi, „denn je länger du wartest, umso mehr setzen sich die Gedanken an den Sturz im Kopf fest.“
Beruflich lässt es Adi inzwischen ruhiger angehen. Als Golflehrer vermittelt er Anfängern wie Fortgeschrittenen die richtige Fluggeschwindigkeit des Golfballes. Eine Gemeinsamkeit zum Speedski hat Adi allerdings ausgemacht: „Du musst dich für kurze Zeit auf das Wesentliche konzentrieren können!“
Zum Schluss möchte ich von Adi wissen, was ihn am Speedski so fasziniert, dass er im fortgeschrittenen Alter noch immer seine Gesundheit aufs Spiel setzt. „Der Reiz besteht einmal darin“, so Adi, „meine persönlichen Grenzbereiche stets neu auszuloten. Und zum anderen: Was glaubst du, was bei Tempo 200 für Glückshormone ausgeschüttet werden? Da reichen selbst mehrere Weizenbier nicht heran...“ – und prostet mir verschmitzt zu.
PS: Das Gespräch mit Adi fand 2008 statt. Mittlerweile holt Adi die Skier nur noch zum privaten Gebrauch aus dem Keller. Sein Ehrgeiz ist geblieben: er arbeitet als ‚Golfpro’ in der höchsten Golfschule Europas in Arosa/Schweiz...
Adi ist erreichbar unter
duensser@t-online.de